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zuletzt aktualisiert: 20.04.2007 11:31

JVA Siegburg

Foltermord: Mutter verlangt Geld

VON GERHARD VOOGT

Leverkusen/Köln (RP). Hermann H. wurde im Siegburger Gefängnis zu Tode gefoltert. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren gegen die JVA-Beamten eingestellt. Jetzt droht die Mutter des Toten dem Land Nordrhein-Westfalen mit einem Zivilprozess. Ihr Anwalt fordert eine fünfstellige Summe.

Zwei rote Lampen leuchten auf dem Urnengrab im Feld 17 des Friedhofs in Leverkusen-Manfort. Eine Frau im dunklen Anzug steckt einen kleinen Strauß mit roten Rosen in die grüne Grabvase. Sie ist die Mutter des Verstorbenen. „Hermann H. 7.3.1986 - 12.11.2006“, steht auf dem schlichten Holzkreuz. Der 12. November 2006 - das war der Tag, an dem der 20-Jährige von seinen Mithäftlingen in der Zelle 104 der JVA Siegburg zu Tode gefoltert wurde.

Marianne M. ist 54 Jahre alt. Einmal in der Woche kommt sie aus dem Bergischen mit dem Bus hierher zum Friedhof. „Hermann ist nach seinem Lieblingsopa benannt“, erzählt die Mutter. Der liegt auch auf dem Friedhof. Am Kreuz hängt ein rotes Herz. „I love you“ steht darauf. Marianne M. ist eine einfache Frau. Sie trägt eine schlichte weiße Bluse und ein Kettchen mit einem Delfin und einem Kreuzanhänger. „Wenn ich alleine hier bin, spüre ich den Jungen“, sagt Marianne M.. „Dann kommt alles hoch. Mein Gott. Der arme Hermann.“

Die Frau mit den offenen blonden Haaren wirkt gefasst. Sie erzählt von dem Donnerstagnachmittag, an dem sie Hermann zum letzten Mal gesehen hat. „Das war zehn Tage vor seinem Tod“, berichtet sie nüchtern. Der Besuch in der JVA Siegburg habe 90 Minuten gedauert. „Hermann war wie immer“, sagt Marianne M.. „Da war er auch noch nicht auf der Zelle mit diesen Monstern.“ Die „Monster“ - das sind Ralf A., Danny K. und Pascal I., die ihren Sohn zwölf Stunden lang gequält und schließlich hingerichtet haben. Sie will den Tätern in die Augen schauen, wenn es zum Prozess kommt. „Ich muss das für meinen Jungen durchhalten. Die Verantwortlichen sollen zur Rechenschaft gezogen werden.“

Der Zellengang des Hauses 1 in der JVA Siegburg: In Zelle 104 entschieden die drei Angeklagten, Hermann H. "wegzuhängen". Foto: ddp
Der Zellengang des Hauses 1 in der JVA Siegburg: In Zelle 104 entschieden die drei Angeklagten, Hermann H. "wegzuhängen". Foto: ddp

Verantwortlich - das sind nicht nur die mutmaßlichen Mörder. „Sondern auch die, die ihn im Stich gelassen haben. Die Gefängniswärter hätten seinen Tod verhindern können.“ Die Bonner Staatsanwaltschaft ist da anderer Meinung. Sie hat das Verfahren gegen fünf JVA-Bedienstete eingestellt. „Ein Unding“, sagt Marianne M.. „Zweimal waren Schließer in der Zelle, ohne etwas bemerkt zu haben. Und als Hermann den Alarmknopf drückte, kam keiner zur Hilfe.“

Ulrich Rimmel ist der Anwalt von Marianne M.. Seine Kanzlei liegt in der Kölner Innenstadt, in Anwaltskreisen nennt man den Strafverteidiger den „Bossi von Köln“. Rimmel erwartet eine Entschädigung aus der Landeskasse. „Hermann H. befand sich in der Obhut des Landes“, sagt der Jurist. „Er ist unter der Aufsicht der besoldeten Landesbediensteten gequält und getötet worden.“ Rimmel arbeitet seit 17 Jahren als Strafverteidiger. „In Amerika wäre ein Schadenersatz in Millionenhöhe fällig“, ist sich der Anwalt sicher. In Deutschland gebe es keine Richtwerte für einen Foltermord im Gefängnis. Ein fünfstelliger Betrag sei aber realistisch. „Wir werden einen Zivilprozess anstrengen, wenn man nicht auf meine Mandantin zukommt“, sagt der Anwalt.

Marianne M. kann Geld gut gebrauchen. Die Frau, die aus dem sauerländischen Plettenberg stammt, hat keinen Beruf erlernt und lebt von Hartz IV. Bisher hat es kein Treffen zwischen Marianne M. und Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) gegeben. Die Politikerin hatte der Mutter ihre Anteilnahme ausgesprochen und ein persönliches Gespräch angeboten. Rimmel lehnte das ab. Er findet es „skandalös und respektlos“, dass sich die Ministerin nicht persönlich entschuldigte.

Das Klima zwischen den Parteien ist inzwischen vergiftet. Statt über den Knatsch mit Marianne M. spricht man im Justizministerium viel lieber über die Kontakte zum Vater von Hermann H.. Der lebt im Streit mit seiner Ex-Frau. Im Gegensatz zur Mutter hat er keine finanziellen Interessen angemeldet. Eine Aussprache zwischen Müller-Piepenkötter und dem Vater habe in angenehmer Atmosphäre stattgefunden, heißt es.

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Quelle: RP ONLINE
 
19.05.09 | 19:34 Uhr
 
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