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Streit um Folter im Gefängnis

Ministerin empört über "infame Skandalisierung"

Von Johannes Nitschmann

Angebliche Folterpraktiken unter Häftlingen in der JVA Gelsenkirchen haben zu einer erregten Debatte im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags geführt. Justizministerin Müller-Piepenkötter warf der Opposition eine "infame Skandalisierung" vor.

Roswitha Müller-Piepenkötter; Rechte: dpaBild vergrößern

Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter

Empört schlug Roswitha Müller-Piepenkötter mit der Faust auf den Tisch. "Das ist doch nicht wahr!", rief die Justizministerin sichtlich erregt den Abgeordneten der rot-grünen Landtags-Opposition zu. Im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags warfen Parlamentarier von SPD und Grünen am Mittwoch (14.01.09) der CDU-Politikerin vor, einen Folterskandal in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Gelsenkirchen monatelang vertuscht zu haben. Der SPD-Rechtsexperte Thomas Stotko zog Parallelen zwischen den Misshandlungen unter Häftlingen in der JVA Gelsenkirchen und dem Foltermord an einem Gefangenen vor zwei Jahren im Siegburger Jugendgefängnis. Dieser "zynische Vergleich" sei "eine infame Skandalisierung" durch die Opposition, erklärte Müller-Piepenkötter. Bei den Übergriffen in der JVA Gelsenkirchen gehe es nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft um sexuelle Nötigung, was "schlimm genug" sei, "aber nicht um Vergewaltigung oder Tötungsabsicht".

Stromkabel um den Hals gelegt

Diese Einschätzung der Ministerin hält die Opposition für eine unverantwortliche Verharmlosung der angeblichen Folterpraktiken unter Gefangenen in der JVA Gelsenkirchen. Zwischenzeitlich hat die Staatsanwaltschaft Essen zwei ehemalige Häftlinge dieses Gefängnisses angeklagt, in der Zeit zwischen dem 15. und 31. März 2008 zwei Mithäftlinge körperlich und sexuell misshandelt oder "durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt" zu haben. Den beiden Angeklagten im Alter von 25 und 26 Jahren werden insgesamt 20 Einzelstraftaten in der Viererzelle des JVA Gelsenkirchen zur Last gelegt. Dabei soll ein 24-jähriger Häftling - ähnlich wie seinerzeit in Siegburg - auch fast zum Selbstmord gezwungen worden sein.

Laut Anklageschrift wurde dem Opfer von seinen Zellengenossen ein etwa zwei Meter langes Stromkabel um den Hals gelegt. Der Hauptangeklagte habe den 24-Jährigen aufgefordert, "einen Abschiedsbrief zu schreiben" und "sich am Fenster aufzuhängen", andernfalls werde er "ihm dabei helfen". Schließlich habe ein vierter Zelleninsasse den Peinigern die Kabelschlinge entrissen und damit die Situation entschärft.

"Ich wünschte, dass er mich umbringt"

JVA Gelsenkirchen; Rechte: dpaBild vergrößern

Folterpraktiken unter Häftlingen im Gelsenkirchener Gefängnis

Der SPD-Abgeordnete Stotko zitierte im Rechtsausschuss aus einer Zeugenaussage des Opfers: "Ich war quasi völlig weg. So eine Angst hatte ich um mein Leben. Ich war voll durch den Wind. Ich war am Zittern. Es hört sich doof an, ich wünschte dass er mich umbringt, damit alles ein Ende hat." Dies seien unübersehbare Parallelen zum Foltermord in der Siegburger JVA, urteilte Stotko.

Dagegen zog die Justizministerin die Aussagen des vermeintlichen Folteropfers in Zweifel. Am Anfang der Ermittlungen habe es noch "keine Hinweise auf sexuelle Handlungen oder Aufforderung zum Suizid" gegeben. Gleichwohl seien die Misshandlungen auf der Gelsenkirchener Viererzelle von der Gefängnisleitung "als besonderes Vorkommnis" und gravierendes Ereignis" eingestuft worden, erklärte Müller-Piepenkötter. Bereits 13 Tage nach dem Ereignis sei der Gefangenenbeirat der JVA Gelsenkirchen, dem auch der SPD-Landtagsabgeordnete Markus Töns angehöre, über die Übergriffe informiert worden. Die Vertuschungs-Vorwürfe der Opposition seien "perfide" und "eine Frechheit", sagte die Ministerin.

Hoher Krankenstand in der JVA Gelsenkirchen

In ihrem Bericht für den Rechtsausschuss musste Müller-Piepenkötter aber eine alarmierende Personalsituation in der JVA Gelsenkirchen einräumen. Derzeit seien dort 40 der insgesamt 226 Bediensteten krank gemeldet, dies entspreche einem Krankenstand von 20 Prozent. Für die grüne Rechtsexpertin Monika Düker ist die Gewalt in Haftanstalten ein Alltags-Phänomen: "Der gravierende Vorfall in Gelsenkirchen ist kein Einzelfall, das ist nur die Spitze des Eisbergs."

Kommentare zum Thema: 50

  • Frank Gottschlich - Goerlitz schrieb am 19.01.2009, 22.07 Uhr:

    Hardcoreschlürfer schrieb am 17.01.2009, 08.56 Uhr: Nachlesen, lohnt sich ! Einfach. ganz einfach. Sabbelt (Sorry) nicht rum, wartet auf irgendjemand der euch die Entscheidungen abnimmt , sondern tretet mit einer Stimme vor und sagt . NEIN. Mit uns NICHT mehr Frau Ministerin.

  • Modell "LEOBEN" schrieb am 19.01.2009, 20.04 Uhr:

    Es ist wieder passiert. Nach Siegburg nun Gelsenkirchen. Straftaten in Gemeinschaftshafträumen.(@Monika, die Entscheidungsmöglichkeiten für diese "Freiwilligkeit"bitte nicht überschätzen.) Einer überlebt in Gelsenkirchen, einer in Siegburg nicht. Nach Siegburg werden die Bedingungen für jugendliche Straftäter verändert(auch verbessert). Welche Ereignisse braucht eine Ministerin um Veränderungen im Strafvollzug ernsthaft anzugehen? Wie viele Opfer müssen es den sein? Wie soll der Öffentlichkeit vermittelt werden das Straftäter Geld kosten? An Personal- und Sachkosten. Warum nicht Modell LEOBEN wagen? Ein humaner Strafvollzug der auch noch billiger ist als die verrotteten Käfige in NRW. Haftkosten pro Tag ca. 50 Euro statt ca. 80 Euro. Knallharter Knast nur noch für Gewalttäter. Ich hoffe für die Gefangenen UND die Kollegen das nicht mehr viele Opfer nötig sind, damit diese Ministerin ihrer Verantwortung gerecht wird. Aber was haben Juristen mit Gerechtigkeit zu tun???

  • Frank Gottschlich schrieb am 19.01.2009, 14.38 Uhr:

    Man definiere die Worte von Monika im Umkehrschluss.

  • Monika schrieb am 19.01.2009, 13.11 Uhr:

    In der JVA Siegburg sind die vier Gefangenen vorher gefragt worden, ob sie zusammen in eine Zelle möchten, derweil eine 2er Zelle renoviert werden musste. Alle haben der Notgemeinschaft zugestimmt, auch Hermann H.

  • Frank Gottschlich schrieb am 17.01.2009, 10.38 Uhr:

    Die Loesung, Ganz einfach. Nein, Frau Ministerin.Der JVA Leiter sagt Nein. Einfach nur Nein. Loest die Notgemeinschaften auf und schickt die Leute nach Hause. Es gibt keine Alternative zur Einhaltung des Grundgesetzes der BRD, Die Kompetenz hat er, der Herr Leiter der JVA XYZ in NRW . Egal welcher. Verschiebt die Verantwortung wieder nach OBEN, dort wo sie hingehoert. Macht ihr das nicht, bleibt ihr immer die Buhmaenner der Nation. F.G

Stand: 14.01.2009, 18:22 Uhr


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