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Der Angriff Roland Kochs auf Nikolaus Brender, den Chefredakteur es ZDF, ist ein Angriff der Politik auf die Freiheit der Presse. Das gibt es nicht nur beim Fernsehen - und nicht nur von rechts. Doch die Medien können die Machtfrage machtvoll beantworten.
"Man sollte nie die beste Hose anziehen, wenn man in den Kampf geht für Freiheit und Wahrheit." Henrik Ibsen
Appelle an die Macht bestätigen die Macht. Appelle sind Unterwerfungen. An jemanden appellieren heißt, die von ihm diktierte Rangordnung zu akzeptieren: oben und unten. Der Adressat des Appells erkennt, dass er oben ist, dass er entscheidet, dass er die Wahl hat, sich dem Mahnruf zu beugen - oder nicht. Der Appell stellt die Gewissensfrage, nicht die Machtfrage. Er setzt ein Gewissen voraus, das zu beeindrucken, anzurühren, zur Intervention zu bewegen wäre.
An Roland Koch zu appellieren heißt, bei einem Mann ein intaktes politisches Gewissen zu vermuten, dem ein prominenter Parteifreund in Berlin nachsagt, er sei nicht unmoralisch, sondern amoralisch. Das Urteil basiert auf zwei Wahlkämpfen, in denen Koch um der Macht willen ausländerfeindliche Ressentiments bespielt hat. An ihn zu appellieren, er möge die Pressefreiheit respektieren und ablassen von seinem Angriff auf das ZDF und dessen Chefredakteur Nikolaus Brender, bedeutet mithin, sich der Anmaßung zu beugen.
Er wird ihn verlieren. Vor großem Publikum. Die Presse kann Bedrohungen ihrer Freiheit auch auf der Machtebene abwehren. Sie kann es, und sie muss es. Denn das ist keine Frage von rechts oder links, von politischer Sympathie und persönlicher Orientierung. Publizisten aus allen Lagern, aus allen Generationen und mit unterschiedlicher Färbung haben sich dem schwarzen Angriff auf den angeblich roten Brender entgegengestellt. Frank Schirrmacher, Lothar Loewe, Peter Voß und Michael Stürmer nicht anders als Uwe Vorkötter, Klaus Bresser, Jobst Plog, Dagmar Reim oder Bettina Gaus. Geht es um die Substanz, gibt es keine Differenz. Das hat zu kalkulieren, wer die Machtfrage gegen die Medien wagt, wer Journalisten politisch zu beugen oder zu brechen sucht. Und das ist beileibe keine konservative Spezialität.
Am Wahlabend 2005 berührten sich beide Geschichten, diese und die Brenders, in der "Elefantenrunde" des Fernsehens. Als Schröder - wütend vor allem darüber, dass stern und "Spiegel" im Wahlkampf nicht Partei für ihn ergriffen hatten - gegen die Medien holzte, trat ihm Brender entgegen: "Nicht alles, was Ihnen nicht passt, ist Medienkampagne", sprach ihn fortan nicht mehr als Kanzler an, sondern nur noch mit "Herr Schröder". Angela Merkel verfolgte das Kräftemessen schweigend. Und nun versucht ihr Stellvertreter im Parteivorsitz - manche mutmaßen: im Einvernehmen mit ihr, um über Mainz eine konforme Studioleitung in Berlin zu installieren -, diesen kantigen und, als es darauf ankam, alles andere als SPD-geneigten Mann zu kippen.
Die Entscheidung über Brenders Zukunft ist vertagt auf die Zeit nach der Wahl. Markus Schächter, dem als Intendanten das alleinige Urteil über Brenders Arbeit zusteht, hat durch ein taktisches Manöver Zeit gewonnen - er wartet auf ein Gutachten über das Wahlverfahren. Koch nickt dazu. Mag sein, dass er dann schon auf dem Weg nach Brüssel ist, um EU-Kommissar zu werden. Mag auch sein, dass Merkel, gerade noch rechtzeitig, ihre eigene Gefährdung erkannt und den Angriff vorerst gestoppt hat. Das ist schon ein halber Sieg. Fast schade: Ein Medienkrieg im Wahlkampf hätte die Sache ganz geklärt. Gewonnen hätte ihn die Union nicht.