Rechtsanwalt Friedrich Schmidt aus Bernkastel-Kues plant schon wieder zwei Befangenheitsanträge. Er überlegt, zwei psychiatrische Sachverständige abzulehnen, die ihm Schwäche der geistigen Kräfte bescheinigen - diesmal vor dem Anwaltssenat des Bundesgerichtshofes in eigener Sache. Denn Anwalt Schmidt soll aus der Anwaltschaft fliegen. Er stört die Justiz durch ein erbittertes, dringliches Rechtsbewußtsein, durch Anwürfe und Beschimpfungen, durch lange Schriftsätze - und auch durch Befangenheitsanträge. Und es gibt Psychiater, die' der Justiz beflissen bescheinigen, ein Anwalt, der in den Akten laut schreit, lebe in einem querulatorisch-paranoiden Zustand, er sei schlicht zu verrückt für die Ausübung des Anwaltberufes.

Zwei Psychiater, Professor Johann Glatzel aus Mainz und Professor Helmut Ehrhardt aus Marburg, haben das nach entsetzter Lektüre dieser Akten breitbeinig hingeschrieben, der eine mehr, der andere weniger. Beide haben den Anwalt Friedrich Schmidt nicht körperlich untersucht, sich nicht mit ihm unterhalten, keine Tests gemacht - er hat verständlicherweise seine Mitwirkung an den Gutachten verweigert. Sie aber hielten an ihren für Schmidt folgenreichen Beurteilungen fest. Deshalb denkt er darüber nach, sie in der Verhandlung am 1. und 8. Dezember wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

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Rechtsanwalt Schmidt sollte das lieber nicht tun. Es ist in vieler Hinsicht besser für ihn, sie reden zu lassen. Denn inzwischen hat auch er sich um Gutachter gekümmert. Die Psychiatrie-Professoren Asmus Finzen (Wunstori) und Werner Mende (München) halten den Anwalt zwar für schwierig, aber keineswegs für verrückt. Und ein berühmter, von allen Juristen geschätzter alter Herr findet sogar das Berufsverbotsverfahren gegen Schmidt besorgniserregend: Professor Karl Peters (Münster), Fachmann für Strafprozeßrecht und vor allem - für Fehlurteile.

Den Beschluß der rheinland-pfälzischen Justizverwaltung mit dem überraschenden Inhalt, seine Anwaltszulassung werde zurückgenommen, weil er wegen einer Schwäche seiner geistigen Kräfte auf die Dauer unfähig sei, den Beruf eines Rechtsanwaltes ordnungsgemäß auszuführen, wodurch er die Rechtspflege gefährde, erhielt Friedrich Schmidt am 12. Oktober 1984 in seiner Kanzlei an der Mosel. Der heute 42jährige Anwalt fühlte sich putzgesund. Aber die Justizverwaltung sah das anders, sie betrachtete ihn als neurotischen Querulanten mit einem „paranoiden Syndrom" (Glatzel), weil er in seinen Schriftsätzen der Justiz erheblich auf die Nerven gegangen war: Der Anwalt wollte Unrecht nicht auf sich beruhen lassen. Die Folge war nun das verfügte Berufsverbot, das ihn mit der Vernichtung seiner Existenz bedrohte. Wenn das rechtskräftig würde, wäre es aus mit dem Rechtsanwalt Schmidt.

Der Fall, daß ein Anwalt wegen Querulanz und gar Geistesschwäche aus der Anwaltschaft ausgeschlossen wird, ist sehr selten. Im allgemeinen akzeptiert heute die Justiz auch unbequeme, lästige Anwälte, die umständlich und langatmig das ihren Mandanten widerfahrene Unrecht beklagen, es partout in Recht verwandeln wollen. Maßlosigkeiten und Beschimpfungen werden den Anwaltskammern zugeleitet und im anwaltlichen Disziplinarverfahren aus der Welt geschafft. Wegen erregter Texte und harter Mutmaßungen fliegt so schnell keiner aus dem Anwaltsstand. Doch anders bei dem unbequemen Anwalt Schmidt. Am 11. November 1985 bestätigte der Ehrengerichtshof für Rheinland-Pfalz, das Disziplinargericht für Rechtsanwälte, den Ausschluß von Friedrich Schmidt. Nun wurde es ernst. Der Anwalt legte wieder Rechtsmittel ein.

Was tut ein Rechtsanwalt, dessen Mandanten ersichtlich Unrecht widerfährt, obwohl er sich ungeheure Mühe gab? Der eine schluckt die Widerwärtigkeiten und schreibt seine Liquidation. Der andere wehrt sich, stellt Anträge, arbeitet Dossiers aus, läuft den Richtern nach, wird lauter und heftiger. Zu dieser selteneren, unangepaßten Sorte von Anwälten gehört Friedrich Schmidt.

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